GESCHICHTE  DES SCHLOSSES

 Baugeschichte, Besitzer, Landschaft
 

Erste schriftliche Erwähnung

    Das Gebiet des heutigen südmährischen Vranov mit dem lebensspendenden Fluß Thaya lud seit der Urzeit zur Ansiedlung geradezu ein. Spätestens im elften Jahrhundert, also nach der Besetzung Mährens durch Fürsten Ulricus, wurde hier als Bestandteil des Thaya-Verteidigungssystems eine Grenzfestung gegründet. Zum erstenmal wurde sie im Jahr 1100 durch den Dekan des Prager Domkapitels, Cosmas, in seiner berühmten "Chronica Boemorum" als Wranow erwähnt.         
                    

Errichtung der Steinburg (14. und 15. Jahrhundert)

   Aus dem Jahr 1323 stammt die Eintragung, daß König Johann von Luxemburg seinen landesherrlichen Besitz in Wranow mit umliegenden Städten, Mühlen, Teichen, Waldbeständen und weiteren Gütern mit Heinrich von Lipá, dem anerkannten Anführer der adligen Opposition und einem der mächtigsten Männer im Königreich überhaupt, tauschte. Bedeutende Lehnherren waren hier weiter die reichen Lichtenburger, das altherrschaftliche Geschlecht des Stangenleiter-Wappens, das in Mähren umfassende Güter hielt. Sie führten neben anderem auch den schrittweisen Umbau der Thaya-Burgen Vöttau und Zornstein, und natürlich auch Frain durch, die König Wladislaw II. von Jagello den Lichtenburgern im Jahr 1499 in freien Erbbesitz überließ.
 

Frain in der Zeit des schnellen Besitzerwechsels (1516 bis 1629)


   Für das sechzehnte Jahrhundert in Frain ist - im Einklang mit den allgemeinen Vorgängen in jener Zeit - ein rascher Wechsel von Besitzern kennzeichnend. Im Jahr 1516 erwirbt die Burg von den Lichtenburgern der Oberhauptmann von Mähren, Arkleb von Boskowitz, zu den einflußreichen Burgherren gehört auch der Renaissance-Magnat, Johann von Pernstein, der mächtige mährische Herr Sidonius von Lomnitz oder der Prager Oberburggraf Wolf Kragir von Kraig. In die Geschichte der Burg ging weiter Ester von Dietrichstein, Tante des späteren mährischen Kardinal- Statthalters Franz, die in den achtziger Jahren die bauliche Umgestaltung der vorderen Burg vornahm und die Eisenerzgrube und die Eisenhütte mit mehreren Schmelzöfen gründete.

   Allerwichtigste Besitzer von Frain waren jedoch die Althanner, ein altes, ursprünglich aus Bayern stammendes Geschlecht, das sich im letzten Viertel des sechzehnten Jahrhunderts in Mähren niederließ. Das national gemischte Herrschaftsgut von Frain und Neuhäusel mit vier Städtchen, zehn Dörfern und über vierhundert Fronbauerfamilien erwirbt Wolf Dietrich von Althann im Jahr 1614 zum ersten Mal für sein Geschlecht. Nach seiner aktiven Beteiligung am Aufstand der mährischen Stände 1619 wird sein Dominium beschlagnahmt.

Der dreißigjährige Krieg und die Zeit kurz Danach (1629 bis 1680)

    Kurz nach dem Jahr 1629 kauft Wallensteins General Johann Ernst von Scherfenberg das Herrschaftsgut, unter dessen Regierung es an den Greueln des Dreißigjährigen Krieges zu leiden hatte. Im Jahr 1645, nach der Schlacht bei Jankow, wird die Stadt durch das schwedische Heer besetzt und ausgeplündert, es folgt eine erfolglose Belagerung der Burg. Nach monatelangen Bemühungen und dem gescheiterten Versuch, die Thaya von den Burg-Wassertürmen wegzuleiten und dadurch die Bemannung "trocken zu legen", ziehen sich die Schweden vor der kaiserlichen Verstärkung aus Frain zurück.

   Im Jahr 1665, wahrscheinlich bereits nach dem verheerenden Brand, kaufen die Stahrenberger das kriegsverwüstete und teilweise entvölkerte Herrschaftsgut und führen den letzten großen Umbau der mittelalterlichen Festung in Frain durch, in dessen Rahmen die nördliche Fassade der Wohngebäude vereinfacht und ausgerichtet wird. Damit ist die über sechs Jahrhunderte dauernde Baugeschichte der Burg abgeschlossen und die Aufbauepoche des neuen Barockschlosses eingeleitet.

Die Althanner und ihr Barockschloss (1680 bis 1774)

   Am Anfang steht der ehrgeizige kaiserliche Geheimrat und Beisitzer des mährischen Landesgerichtes, Reichsgraf Michael Johann II. von Althann, der Frain für sein Geschlecht im Jahr 1680 wieder kauft. Sein Ziel ist es, einen modernen, repräsentativen Herrensitz, entsprechend den veränderten Anforderungen der Zeit, zu errichten. Ausgesprochen glückliche Hand hat er bei der Bestellung des Baumeisters - einer der größten Persönlichkeiten des mitteleuropäischen Barocks, des jungen Hofarchitekten, Johann Bernhard Fischer von Erlach, des späteren Schöpfers des Clamm-Gallas-Palastes in Prag, der berühmten Wiener St.-Borromäus-Kirche, sakraler Bauwerke in Salzburg oder des Urprojektes der kaiserlichen Residenz in Schönbrunn.

    Kurz nach 1687  wird der Aufbau des monumentalen Ahnensaales (Mehr...) mit ovalem Grundriß und gewölbter Kuppel nach Fischers Plänen eingeleitet. Diese Dominante des künftigen Schlosses, die der umliegenden Landschaft dominiert und mit ihr organisch verwachsen ist, wird durch führende Künstler verziert - der Wiener Bildhauer Tobias Kracker schafft Standbilder bedeutender Althanner, die in Nischen an den Saalwänden aufgestellt sind, italienische Meister fügen Stuck-Ornamente im Interieur hinzu, insbesondere ist Johann Michael Rottmayr zu nennen, Schöpfer der prächtigen allegorisch-mythologischen Freske in der Saalkuppel. Im Laufe von acht Jahren (1687 bis 1695) entsteht hier eines der schönsten Kleinodien der profanen Barockarchitektur, ein Werk mit einmalig ausgewogener Komposition, vollkommen künstlerisch harmonisiert, dessen alle Komponenten ein einziges Ziel verfolgen - die stolze Verherrlichung der Althanner, ihrer Tradition, erdachter sowie tatsächlicher Verdienste, ihrer dynastischen Gesinnung.

    Unmittelbar nach der Fertigstellung des Ahnensaales regt der Kunstkenner, Graf Michael Johann II., an ein weiteres geniales Projekt Fischers: den Bau der Dreifaltigkeitskapelle mit der unterirdischen Gruft der Althanner (Mehr...) im Schloßareal. In nur zwei Jahren (1699 bis 1700) steht auf dem Felsenvorsprung ein neues, architektonisch außerordentlich wertvolles Bauwerk, bestehend aus dem walzenförmigen Zentralschiff mit sechs gleichmäßig am Kirchenumfang verteilten Raumnischen ovalen Grundrisses. Die Gemälde-Ausschmückung der Schloßkirche übernimmt der österreichische Künstler Ignaz Heinitz von Heinzenthal, der über den Altären die Themen Himmel, Paradies und das Jüngste Gericht und auf der Kuppelfreske den Schutzheiligen des Adelsgeschlechtes der Althanner und der Kirche, Erzengel Michael, darstellt. Die Kapelle, die das gedankliche sowie kompositionelle Gegengewicht des Ahnensaales darstellt und durch ihre ikonographische Bedeutung an die Vergänglichkeit des Daseins, an die letzten Dinge des Menschen sowie an sein Fortbestehen im Jenseits erinnert, ist wieder mit der Grundidee dieses Adelsgeschlechtes aufs engste verbunden - mit der Verherrlichung der Althanner.

     Im Jahr 1702 stirbt Michael Johann II. Die Realisierung seiner Vorhaben übernimmt sein ältester Sohn, Michael Herrmann, und nach dem Jahr 1722 seine Schwiegertochter Marie Anna Pignatelli, anmutige und intelligente Favoritin von Kaiser Karl VI. Sie vergibt wahrscheinlich an den Hofarchitekten Anton Erhard Martinelli - den Bau des dreiflügeligen Schloßobjektes, läßt die Schloßbrücke, einen Teil der vorderen Burg sowie die Kapellenfassade und das Kapelleninterieur umbauen. Zu ihrer Zeit werden an der zweiläufigen Treppe im Ehrenhof zwei Statuengruppen aufgestellt. Die dynamischen, sinnreich komponierten Skulpturen, Meisterwerke wahrscheinlich des italienischen Meisters Lorenzo Mattieli, zeigen den Kampf von Herakles gegen Antaios und den durch Vergil besungenen Helden Äneas, der seinen Vater Anchisus aus dern brennenden Troja rettet. Sie sind ein persönliches Geschenk vom Kaiser an die kultivierte "Marianna", die auf den Monarchen starken Einfluß hat und ihn in Frain mehrmals empfängt.

    Ihr Sohn, der General Michael Anton Althann, leistet mit kleinen Veränderungen nur einen geringen Anteil an der Fertigstellung des Barockschlosses. Sein Interesse richtet sich eher auf den Bau von Kirchengebäuden in den kleinen Städten und Dörfern des Frainer Dominiums, auf die Vergrößerung der herrschaftlichen Wälder und auf ihre effektivere Nutzung für die Hochwildjagd.

Gestaltung der Innenräume und Entstehung des Landschafts- und Waldparks (1774 bis 1799)

    Ein weiteres erwähnenswertes Kapitel in der Baugeschichte des Schlosses beginnt am Ende des achtzehnten Jahrhunderts, als (1774) der letzte Frainer Althann, Michael Josef, das Herrschaftsgut erbt. In rascher Folge ließ er die Interieurs im ersten Obergeschoß durch bis heute erhaltene, künstlerisch außerordentlich gelungene Stuckarbeiten, Tapetenausschmückung und Wandmalereien verzieren, die sich zum Teil an der Grenze zwischen der spätbarocken und der barockromantischen kunstbildnerischen Auffassung bewegen, insbesondere aber unter dem Einfluß des sich durchsetzenden Klassizismus stehen. Die beiden Grundstücke am Ahnensaal werden terrassenartig gestaltet und mit durch die Antike inspirierten Triumpfbögen mit den Büsten von Sokrates und Pallas Athena geschmückt (Mehr...).

    Der Klassizismus hinterläßt Spuren nicht nur im Schloß, sondern auch in seiner unmittelbaren Umgebung. Der böhmische Landesanwalt Joseph Hilgartner von Lilienborn (Josef Hilgartner z Lilienbornu), der die Domäne 1793 im Konkursverfahren erwirbt, knüpft nämlich an das ältere Werk an, das unter dem letzten Althanner begonnen wurde, und wendet sich der Gestaltung des Landschaftsparkes zu (Mehr...). Der authentische Plan aus der Zeit vor zwei Hundert Jahren, der Züge der präromantischen, Rousseauschen Beziehung zur Natur trägt, dokumentiert anschaulich die damalige Lebensweise sowie das Vorhaben von Hilgartner von Lilienborn - gegliedertes, unregelmäßig bewaldetes Terrain mit einem Netz von Wanderwegen und Wasserläufen, ein kleiner antiker Tempel, Gartenlauben, künstliche Grotten, Steinbänke und kleine Blumengärten, eine Vielzahl von Statuen, ein See mit Wasserfall. Der tatkräftige Besitzer, kurz nach dem Erwerb von Frain nobilitiert, baut das Fasanen- und Hochwildgehege mit einem Jagdschlößchen um, ferner auch Pferdeställe und Wagenhäuser vor dem Schloßeingang, gründet neue Dörfer und baut Landstraßen.

Die polnische Spur (1799 bis 1939)

    Das ganze neunzehnte Jahrhundert, als das Schloß der polnischen aristokratischen Familie Mniszek und nach dem Jahr 1876 der mit ihr verwandten Familie Stadnicky gehörte, brachte keine prinzipiellen Veränderungen in seiner Bauentwicklung. Erwähnenswert sind nur künstlerisch wertvolle Wandmalereien in den Interieurs des westlichen Flügels (unmittelbar nach 1800), die wahrscheinlich auf Wunsch des jungen Grafen Stanislaw Mniszek im Geiste der sog. spiritualen Alchimie ausgeführt wurden, also der überzeitlichen, durch die konventionelle Wissenschaft nicht erfaßbaren und dank ihrem Wesen mystischen Lebensphilosophie. Zu nennen sind auch der monumentalisierende Anbau im Empire-Stil an den Frontwänden der Pferdeställe und der Wagenhäuser, geringfügige neugotische und romantische Fassadenänderungen und umfassende Arbeiten der beiden Adelsfamilien an der Gestaltung des Waldparkes sowie der weiteren Schloßumgebung - es werden kleine Kapellen, Kreuze, Obelisken, Familientafeln errichtet (Mehr...), umfassende Fürsorge wird den Waldbeständen gewidmet.

    Das Interesse der Schloßbesitzer orientiert sich aber auch auf das wirtschaftliche Leben des umliegenden Gebietes. Im Jahr 1816 kauft der geschäftstüchtige Stanislaw Mniszek die Steingutfabrik in Frain (Mehr...), die damals keine herausragenden Ergebnisse auswies, und baut sie Schritt für Schritt in ein großes und prosperierendes Werk aus, das zu den angesehensten Keramikwerken in den böhmischen Ländern zählt.

   Der Verdienst der Mniszek und Stadnicki beruht jedoch auch auf der außerordentlichen, bis zum gewissen Grad frankophil ausgerichteten Schlosskultur. Die große Bibliothek wird gegründet und laufend erweitert, sie zeugt vom feinen Stil der Besitzer. Direkt auf dem Schloss findet ein reges Theaterleben statt, die Mniszek sind leidenschaftliche und gute Komponisten, sie spielen Kammermusik. Musiker, Komponisten und Schauspieler aus den Wiener Theatern werden zu kurzen Aufenthalten und Auftritten nach Frain eingeladen. Diese kulturelle Atmosphäre zieht bekannte Schriftsteller wie beispielsweise den Nobel-Preisträger Henryk Sienkiewicz an.

    Nach dem Jahr 1938, als Frain dem Hitler-Reich angeschlossen wird, wird das Eigentum von Adam Stadnicky - das Schloß zusammen mit dem Großgutbesitz - beschlagnahmt und an den deutschen Baron Gebhard von der Wense-Mörse verkauft. Nach dem Zweiten Weltkrieg geht der Besitz an den Staat über, und das denkmalgeschützte Objekt wird der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Nach dem zweiten Weltkrieg  

    In den siebziger Jahren erfolgt eine umfassende Rekonstruktion - die General-reparatur des Tiefbaunetzes, der Dächer, Fassaden und der erhalten gebliebenen Befestigungsmauern. Für die Öffentlichkeit werden die Interieurs im ersten Obergeschoß, sog. piano nobile, komplex neu hergerichtet, ausgedehnt wird der Besichtigungsbereich, das Mobiliar wird restauriert. Errichtet wird ebenfalls eine neue Kasse und die historische Eingangsexposition, grundlegende Änderungen erfährt auch der Schloßpark.

    Die Besucher können den Ahnensaal und die Kapelle sowie weitere Interieurs besichtigen, die den Wohnstil in Frain am Ende des achzehnten und im ganzen neunzehnten Jahrhundert näherbringen. Besondere Aufmerksamkeit verdient in diesem Sinne die originelle Produktion der Steingutfabrik unter dem Warenzeichen Frain.

    Das Schloßareal als ein lebendiges eigenständiges Wesen, von menschlicher Hand und historischer Tradition geschaffen und getragen, ist aber kein bloßes isoliertes Artefakt. Es zeigt seine Wirkung im organischen Kontext mit seiner außerordentlich wertvollen Naturumgebung, die Bestandteil der ersten strengstens geschützten Zone des Nationalparkes Podyjí (Thayatal) ist. Ein Torso des ursprünglichen Waldparkes mit erhaltenen Kleinbauten sowie die authentische freie Landschaft, die ihre ästhetische, emotionell gefärbte Wirkung auf ihren botanischen Reichtum, die bunte Fauna sowie geologische Raritäten stützt.

    Mit Dehmut nimmt man hier die Wechselwirkung des Flusses, der Felsen, Wälder, des selbstbewußten Bauwerkes sowie des hohen Himmels als ein reines, lauteres und charakterfestes Wesen wahr, das die Kraft der Erde, das Gedankengut und die Fertigkeiten des Menschen in sich vereint. Dabei wird man sich - im rhythmischen Lauf der unruhig vergehenden Zeit - des Arkanums des Ortes klar bewußt, seines behexenden Genius, der mit einmaliger Kraft darüber aussagt, daß alles Lebende, alles Bestehende ein einziger Organismus sind, gegliedert nur durch die Illusion der Form. Man fühlt das Bedürfnis - angesichts der dringenden Risiken der Zeit, eine tiefgreifendere Erkenntnis und ein viel besseres Verständnis der kosmischen Ordnung und der Aufgabe des Menschen darin anzustreben. Dies alles im eigenen Interesse, im Interesse der Wiedererlangung der Einheit mit dem Universum.